Syl Gervais im wilden Gespräch

Wir durften die liebe Syl Gervais zu allem rund um das Thema Fermentation befragen. Sie hat ihr Wissen nicht nur durch eigene Experimente gesammelt, sondern kennt viele Rezepte von ihrer Großmutter. Und sie hat sich viel Wissen rund um die Welt der Fermente angelesen. Sie erklärt uns, was Fermentation ist, weshalb wir fermentieren sollten, wie’s zu Hause klappt und welche Tricks wir beachten dürfen (Lesezeit 4 Minuten).

 

Fermentierter Bärlauch

Was bedeutet Fermentieren?

Fermentieren steht für Gärung und bedeutet “Umwandlung eines Stoffs”. Dies passiert mit Hilfe  verschiedenster Mikroorganismen (z.B. Milchsäurebakterien, Hefen, Pilzen). Die Mikroorganismen verwandeln dabei organische Substanzen in Alkohol, Gase oder Säure. Stellt Euch einfach vor, dass wir mit Unmengen von verschiedenen Mikroorganismen umgeben sind, die unter verschiedenen Bedingungen bestimmte Vorlieben haben und sich dabei in unterschiedliche Substanzen verwandeln. Manche Mikroben stehen auf Kohlenhydrate und verwandeln Äpfel gerne zuerst in Alkohol und dann eventuell in Essigsäure. Diese leben gerne umgeben von Sauerstoff. Andere wiederum (Milchsäurebakterien) lieben den Zucker, der sich im Kohl versteckt. Wenn man ihnen Sauerstoff wegnimmt fühlen sie sich ganz besonders wohl. Sie vertreiben alle schlechten Bakterien (Fäulnisbakterien z.B.) aus dem Kohl und verwandeln ihn dann langsam aber fleißig in Sauerkraut. Die Welt der Fermente und Mikroben ist so faszinierend - ich könnte Euch stundenlang darüber erzählen. 

Was ist der Sinn der Fermentation damals und heute?

Die Geschichte zeigt, dass Fermentieren eigentlich zufällig entdeckt wurde und als eine der Methoden für Lebensmittelhaltbarmachung eingesetzt wurde. Die ältesten Beweise für Fermentation kommen aus Skandinavien und sind ca. 9000 Jahre alt, es handelte sich um milchsauer eingelegten Fisch. Damals gab es keine Kühlschränke und bequeme Kühlungsmethoden. Fermentieren war also in jeder uns bekannten Kultur und jedem Volk ein wertvoller Prozess, um gesammelte, geerntete oder gejagte Güter haltbar zu machen, um oft auch über lange, kalte Winter zu kommen. 

Neben der Haltbarmachung ist Fermentieren heute ein wichtiger Trend in der gesunden Ernährung und eine Bereicherung für traditionelle sowie moderne Küche.

Für mich persönlich ist das die beste Methode, Lebensmittel “lebendig” haltbar zu machen. Während z.B. beim Einkochen, Pasteurisieren etc. sehr viele wichtige Nährstoffe durch Erwärmen verloren gehen, bleiben diese in fermentierten Lebensmitteln erhalten. Darüber hinaus werden beim Vergären weitere Nährstoffe aktiv und für den Körper leichter verfügbar. 


Was bewirken fermentierte Lebensmittel in unserem Körper?

  • Fermentiertes Gemüse ist leichter verdaulich; die in fermentierten Lebensmitteln enthaltenen Nährstoffe können im Darm besser aufgenommen werden. Man spricht über bessere Bioverfügbarkeit von Nährstoffen.
  • Fermente sind voller lebendiger Bakterien (z.B. Milchsäurebakterien beim Gemüse, Hefen bei Obst, Essigbakterien beim Essig etc.), die sich auf unser Immunsystem und gesamtes Befinden positiv auswirken.
  • Sie unterstützen verschiedene Darmfunktionen sowie auch die kontinuierliche Erneuerung der eigenen Darmflora, die zB. durch die Aufnahme von Antibiotika sowie schlechten Lebensmitteln aus der Balance geraten kann.
  • Sie sind voller Probiotika, die in Zusammenarbeit mit richtigen Präbiotika das Mikrobiom, als die Darmflora, "gesund" und wohlgenährt halten.
  • Sie beinhalten wertvolle Enzyme sowie Vitamine aus der Gruppe B: B1, B2, B3, B6 sowie A, C, E, K und PP.
  • Sie “verlängern das Leben" von Vitamin C im Obst und Gemüse.
  • Sie erhöhen Aufnahme von Calcium und Eisen.
  • Sie enthalten jede Menge Ballaststoffe, die unsere Därme gut und fleißig "durchfegen" und somit auch einige Toxine aus dem Körper tragen.

Radieschen Syl Gervais

Wie lege ich los? Welche Möglichkeiten habe ich?

Ich empfehle jedem Anfänger sich zuerst mit dem Thema und verschiedenen Arten der Fermentation auseinanderzusetzen.

Fermente sind für mich “Slow Food”, das nicht nur eine Weile braucht, um fertig vergoren zu werden, sondern es benötigt zuerst auch einmal Hingabe, Geduld und Verständnis, was man da tut. 

Im Netz gibt es natürlich viele kostenlose Infos dazu und es gibt tolle Bücher. Ich empfehle natürlich meine Fermentations-Kurse in der Wilde Fermente Online Akademie. Zur Zeit gibt es zwei zur Auswahl:

1. Basics der Fermentation 
2. Fermentierte Getränke 

Wie kann ich Schimmel und geplatzte Gläser vermeiden?

Schimmel vermeidest du, indem du die verschiedene Arten der Fermentation kennenlernst. Es gibt Fermente, die aerob (mit Sauerstoff)  und welche, die anaerob (ohne Sauerstoffzufuhr), stattfinden. Wenn man dieses kennt, hat man schon “die halbe Miete”. Gute Rezepte und Anweisungen sind auch wichtig. Und diese ganz gründlich zu lesen. Als Workshop-Geberin kann ich Euch sagen: die meisten Fehler (inkl. Schimmel) passieren, wenn Rezepte nicht geduldig zu Ende gelesen werden. 
Außerdem spielt die Hygiene und natürlich die Qualität des Fermentationsgutes eine sehr wichtige Rolle.

Explodierende Gläser? 

Kenne ich, siehe unten :-) Um das zu vermeiden: richtige Gläser verwenden, Gläser wenn nötig “pupsen lassen” oder zum Beispiel bei Getränken immer wieder kurz “entlüften”. 

Ist bei dir schon einmal was richtig schief gegangen?
Gab es bei dir auch Überraschungsmomente?

Ich habe mal einen lila Chinakohl zu Kimchi fermentiert. Damals war ich noch Anfängerin und habe das falsche Fermentiergefäß verwendet (ein Schraubglas, das ich zu fest zugedreht habe). Beim Öffnen ist mir das Kimchi mit voller Wucht entgegengeflogen. Ich und die Küche waren voll mit pink - rötlichem Kimchi :-) Auch eine wilde fermentierte Limo in Rot (da mit Hibiskus) ist mir vor kurzem beim Öffnen fast explodiert. Die wilden Hefen waren so fleißig am Werk. In der Flasche hat sich jede Menge CO2 gebildet. Unsere Küche braucht jetzt dringend einen neuen Anstrich! :-) 

Fermentiertes Gemüse Syl Gervais

Was können wir als Anfänger leicht fermentieren?
Was gibt es für Fortgeschrittene?

Für Anfänger: fermentierte Radieschen. So lecker! Sie brauchen nur eine Woche und schmecken köstlich, finde ich.

Apfelessig ist auch so einfach. Für mich ein faszinierend einfaches Ferment, das ausschließlich Äpfel, Wasser, Sauerstoff und Geduld braucht.

Gemüse in Salzlake ist allgemein sehr einfach. Einfach Gemüse klein schnippeln, ins Glas geben, beschweren, mit 2% - Salzlake übergießen, zudecken und bald genießen.

Für Fortgeschrittene: fermentierte Nuss-Aufstriche. Eigentlich auch recht einfach, aber man braucht dazu Erstfermente als Starter (Sauerkraut, Kvass, Brottrunk etc.). 

Wilde Limos. Da muss man wissen, wo man wilde Hefen in der Natur findet. Und auch bei Miso, Tempeh und allen anderen  alkalischen Fermenten braucht man ein wenig Erfahrung. 

Wie kann ich Wildkräuter einsetzen?

Wildkräuter eignen sich super für diese Fermente:

  • in der Zweitfermentation von Kombucha, Jun und Wasserkefir
  • in wilden Limos (Löwenzahn-Limo, Holunder-“Sekt”, Kirschblüten-Limo etc.)
  • in Ginger Bier
  • in Shrubs. Sie sind ähnlich wie Oxymel, aber mit Obst. Genauer gesagt aus Obst, Honig oder Zucker, Kräutern und Essig.
  • in Gemüsefermenten
  • in fermentierten Wildkräuter-Würzpasten
  • in veganen fermentierten Nussaufstrichen
  • in Getreide-Kvass

Ah es gibt so viele Möglichkeiten Wildkräuter in Fermente miteinzubeziehen. 

Dein liebstes Rezept?

Bärlauch fermentieren und dann daraus einen Cashew “Käse” machen. Oder eine Bärlauch, Giersch, Brennnesseln, Taubnesseln etc. zu einer fermentierten Würzpaste verarbeiten. Ansonsten liebe ich Wildkräuter einfach roh in einer tollen Buddha Bowl mit leckerem Dressing. 

Syl Gevais

Syls wilder Steckbrief


Dein liebstes Ritual:  Unsere Mahlzeiten zubereiten, schön frisch, grün, köstlich, hübsch angerichtet und nahrhaft. 

Dein Lieblingskraut:  Löwenzahn und Brennessel 

Dein Kraftort: Wald - Wiese - Garten 

Der schönste Moment deiner Arbeit:  da ich das arbeite, was ich auch lebe, habe ich ganz viele schöne Momente und für die bin ich sehr dankbar. Ich darf z.B. den Menschen die Natur, die Gesundheit und viele Inspirationen rund um das “grüne Lifestyle” geben. Das macht mich glücklich und gibt ein gutes Gefühl etwas Wertvolles zu tun. 

Deine Mission: Unsere wunderschöne Welt zu schützen, Menschen für Natur- und Tierschutz, für gesunden Lifestyle zu inspirieren. 

Eine Sache, für die du dankbar bist: meine optimistische und positive Einstellung. 

 

Liebe Syl, danke für das tolle Interview! Du bist auch Teil unseres Wilde Natur Retreats. Was lernen die TeilnehmerInnen denn in deinem Workshop?

- O so viel! Was Fermentation ist, wieso sie für den Körper gut ist, was man alles fermentieren kann und ich zeige den Teilnehmern ein paar schöne Rezepte u.a. mit Wildkräutern. Ich freue mich auf euch!

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