Essen und Fasten sind zwei Seiten einer Medaille. Wir leben in einem ständigen Wechsel zwischen Nahrungsaufnahme und Verzicht. Nur sind unsere täglichen Fastenperioden kürzer geworden, denn Nahrung ist immer und im Überfluss verfügbar. Die Vielfältigkeit des Fastens beleuchtet die Gesundheitsberaterin Anika Jessen für uns in diesem Artikel.
Fasten ja oder nein?
Wie ist es mit dem Fasten wirklich? Ist mein Körper danach gereinigt und entschlackt oder baut er Eiweiße ab und verbraucht wichtige Reserven? Die schlechte Nachricht zuerst: Leider ist das Fasten bisher noch nicht ausreichend erforscht, um die Frage eindeutig zu beantworten. Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte: Es kommt auf dich und deinen Körper an.
Die gute Nachricht lautet jedoch: Es gibt verlässliche Wege, um herauszufinden, ob das Fasten für deinen Körper geeignet ist. Im Folgenden findest du fünf Tipps, mit denen du herausfinden kannst, ob Fasten gesund für dich ist.
Tipp Nummer 1: Informiere dich.
Auch wenn die gesundheitlichen Vor- und Nachteile sich je nach Art des Fastens unterscheiden, werden im Allgemeinen zwei Positionen zum Fasten vertreten:
1. Die Befürworter*innen:
Im Körper sammeln sich mit der Zeit Schlacken an. Schlacken sind beispielsweise funktionsuntüchtige Zellbausteine oder Abfälle des Stoffwechselprozesses. Durch das Pausieren der Verdauung hat der Körper Kraft, diese Schlacken auszuscheiden. Der Reinigungsprozess stärkt das Immunsystem und schützt vor zahlreichen Krankheiten. Es gibt viele Menschen, die auf die positive Wirkung des jährlichen Fastens schwören.
2. Die Skeptiker*innen:
Die Existenz von Schlacken wurde nie nachgewiesen. Giftstoffe wie Kupfer oder Schädlingsbekämpfungsmittel, die den Körper belasten, können durch das Fasten nicht ausgeschieden werden. Der Entzug von Nahrung schwächt den Organismus und kann bei zu langer Dauer zu einem geringeren Grundumsatz, Mangelerscheinungen und Müdigkeit führen. In der östlichen Gesundheitslehre (wie zum Beispiel der chinesischen Medizin) wird das Fasten abgelehnt, weil es die Lebensenergie mindert.
Wenn du dir unsicher bist: Im Jahre 2015 ist eine Übersichtsstudie erschienen, die ergeben hat, dass es zumindest unbedenklich ist, das Fasten auszuprobieren (Seimon et al. 2015).
Tipp Nummer 2: Stell sicher, dass du die Voraussetzungen erfüllst.
Es gibt einige Umstände, unter denen das Fasten nicht durchgeführt werden sollte, weil der Körper nicht die nötige Kraft hat, um den Eingriff in das Ernährungssystem zu verarbeiten. Vom Fasten wird abgeraten, bei:
- Kreislaufschwäche
- Untergewicht
- Blutarmut
- Schweren körperlichen Erkrankungen (Herz, Schilddrüse, Diabetes etc.) oder Funktionsstörungen (Niere, Leber etc.)
- psychischen Erkrankungen
- Medikamenteneinnahme
- sehr geringem oder sehr hohem Alter
- während der Schwangerschaft oder Stillzeit
Wenn du dir unsicher bist, ob eine der Umstände auf dich zutrifft, kannst du dich davor einfach noch einmal von deinem Arzt oder Heilpraktiker untersuchen lassen.
Tipp Nummer 3: Halt dich an die Regeln.
Es gibt einige Regeln, an denen du dich orientieren kannst, um das Fasten unbedenklich zu testen:
- Ohne die Begleitung eines Experten sollte das Fasten maximal 5 Tage dauern.
- Führe das Fasten ausschließlich bei guter körperlicher Gesundheit durch.
- Zum Einstieg ist das Fasten in Form von Saftkuren geeignet, sodass dein Körper trotzdem mit lebensnotwendigen Nährstoffen versorgt wird.
- Beginne immer mit einem Entlastungstag vor der Fastenkur, um dich auf das Fasten vorzubereiten (z.B. mit rohem Obst und Gemüse).
- Fördere die Darmentleerung, indem du viel Wasser trinkst und ausschwitzt.
- Verzichte auf Alkohol, Kaffee und Nikotin.
- Pflege deinen Körper und deine Zähne ausgiebig (z.B. durch Bäder, Bürstenmassagen).
- Sorge für viel Ruhe und moderate körperliche Bewegung (z.B. Spaziergänge, Yoga) .
Tipp Nummer 4: Wähle die richtige Art des Fastens.
Zu Fasten bedeutet keinesfalls überhaupt keine Nahrung mehr zu sich zu nehmen. Es gibt verschiedene Formen des Fastens:
Das Trinkfasten:
Beim Trinkheilfasten nimmst du ausschließlich flüssige Nahrung wie z.B. Brühe oder Säfte zur dir. Das Buchinger-Heilfasten ist die bekannteste Form des Trinkfastens, die unter ärztlicher Aufsicht geleitet durchgeführt werden kann.
Das Basenfasten:
Beim Basenfasten wird auf säurebildende Lebensmittel wie Fleisch, Milch, Zucker oder Alkohol verzichtet. Das Basenfasten stellt eine Versorgung mit den wichtigsten Nährstoffen weiterhin sicher. Allerdings fällt es einigen Menschen schwer, auf diese Art und Weise zu verzichten.
Das Intervallfasten:
Beim Intervallfasten wird stunden- oder tageweise auf Nahrung verzichtet. Diese Form des Fastens ist sehr flexibel und für viele Menschen leichter einzuhalten, da keine Lebensmittel gestrichen werden.
Auch wenn es noch zahlreiche weitere, teilweise auch extremere Arten des Fastens gibt, empfehle ich für den Einstieg eine der drei oben genannten.
Tipp Nummer 5: Mach es für den Genuss.
Viele Menschen fasten, um Gewicht zu verlieren. Allerdings führt das Fasten häufig zu einem verringerten Grundumsatz und ist damit ungeeignet, um nachhaltig abzunehmen.
Ich denke, dass Fasten eine nachhaltig positive Wirkung auf Körper, Geist und Seele haben kann, wenn wir es nutzen, um wieder mehr Genuss in den Alltag zu bringen. Mit Genuss meine ich das Gegenteil von Gedankenlosigkeit, Konsum und „Vollstopfen“. Also ein aufmerksames Essen mit allen Sinnen.
Fasten für mehr Genuss kann so aussehen:
- Bereite deinen Saft selbst und in aller Ruhe zu: Welche Form und Textur haben die Zutaten? Wie fühlen sie sich an?
- Begegne dem Essen mit Wertschätzung: Woher kommen die Lebensmittel? Wie viel Arbeit war notwendig, damit sie es hierher geschafft haben?
- Such dir einen Wohlfühlplatz, um den Saft ungestört trinken zu können. Wie riecht der Saft? Welche Erinnerungen weckt der Geruch?
- Trink langsam und achte genau auf den Geschmack. Wo auf der Zunge kannst du welche Geschmacksrichtung wahrnehmen? Wie fühlt sich der Saft im Bauch an?
So werden die Sinne während des Fastens geschärft. Auch nach der Fastenzeit schmeckt so alles intensiver und man kann das eigene Hunger- und Sättigungsgefühl wieder besser wahrnehmen.
Zusammenfassung
Gesunde Ernährung bedeutet für mich weder Verzicht noch Schlemmerei, sondern eher eine Balance aus Genuss und Funktionalität. Je nachdem, wo du dich auf der Skala zwischen diesen beiden Polen befindest, kann dir das Fasten helfen, deine eigene Balance zu finden. Dabei ist es wichtig abzuklären, ob du grade die nötige Kraft zum Fasten hast und die passende Fastenart für dich zu wählen. Außerdem solltest du dich unbedingt an ein paar Regeln halten und deine Motivation hinterfragen.
Wenn du dir mehr Informationen zum Fasten wünschst, kannst du in den unten genannten Literaturempfehlungen stöbern. Bei Fragen kannst du mir außerdem jederzeit eine Mail an hello@anikamille.com schreiben. Als systemische Gesundheitsberaterin schaue ich mir deine gesundheitliche Situation genau an, wir testen gemeinsam verschiedene Ansatzpunkte und ich helfe dir dabei, in deinem Leben wirklich nachhaltig zu verankern, was dir guttut. Du erfährst mehr über mich auf www.anikamille.com/about.
Weiterführende Literatur
https://aerztegesellschaft-heilfasten.de/faqs/
https://www.buchinger.de
https://www.dge.de/ernaehrungspraxis/diaeten-fasten/intervallfasten/
Quelle
Seimon RV, Roekenes JA, Zibellini J et al.: Do intermittent diets provide physiological benefits over continuous diets for weight loss? A systematic review of clinical trials. Mol Cell Endocrinol 418 (2015) 153-72